Der Helmstedter Professorenhaushalt, 1576-1810
Dr. Elizabeth Harding
(Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel)
M.A. Constanze Beringer
(Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel)
Veröffentlichung: Dezember 2012
Für die Organisation des frühneuzeitlichen Gelehrtenstandes bildeten die religiösen, sozialen und politischen Umwälzungen des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts eine deutliche Zäsur. Hatte zuvor das Ideal des Zölibats die Lebensform der Gelehrten bestimmt, so trat nun, in den protestantischen Territorien, an die Stelle der Ehelosigkeitsnorm die Pflicht zur Gründung einer Familie und zur Einrichtung eines gemeinschaftlichen Haushalts. Seither lebte und arbeitete der Professor in einem grundlegend andersartigen Sozialgefüge, in dem die Familie an der Erwirtschaftung des Einkommens beteiligt war, etwa durch die Verköstigung von Studenten oder die Vermietung von Wohnräumen. Des Weiteren war es nicht unüblich, dass Professorenfrauen oder -töchter ihre Gatten bzw. Väter bei den Studien unterstützten.
Sowohl die Wissenschafts- als auch die Sozialgeschichte frühneuzeitlicher Universitäten ist bislang vornehmlich einseitig als eine Geschichte von Männern geschrieben worden, obgleich die Etablierung des Gelehrtenstandes, die Rekrutierung des Nachwuchses, die Sicherung ökonomischer Ressourcen und die Bewahrung des Heiratskreises nicht ohne die Beteiligung aller Mitglieder der Professorenfamilie denkbar gewesen ist; getragen wurde die ständische Begünstigung der Gelehrtenfamilie dabei nicht zuletzt von landesherrlichen Spezialprivilegien. Auch die ihnen ganz eigenen, kulturellen Praktiken der Gelehrten, die die spezifische Lebensweise dieses Standes ausmachten, erhielten durch den Professorenhaushalt ihre Konturen, denn Standes- und insbesondere auch Geschlechterdifferenzen wurden im alltäglichen Leben inmitten und am Rande des Professorenhaushalts markiert und reproduziert.
Im Rahmen des Forschungsprojekts "Der Helmstedter Professorenhaushalt 1576-1810" gilt es, den bislang nur in Ansätzen thematisierten akademischen Haushalt am Beispiel Helmstedts in seiner Bedeutung als maßgeblichen Ort sozialer, ökonomischer und kultureller Reproduktion sowie wissenschaftlicher Produktion zu erforschen. Themen, die im Rahmen der Studie analysiert werden, sind die Heiratskreise und Partnerwahl, der Haushalt und seine Ökonomie sowie Rollenerwartungen und Handlungsmuster innerhalb der Familie. Ausgewertet werden zu diesem Zweck neben dem archivalischen Bestand der Universität Helmstedt auch Leichenpredigten, Bestattungsprogramme, Kirchenbücher und Nachlässe von Universitätsprofessoren.
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